Auszug aus dem Buch Wanderer im Tal der Demut

Frater Eustachius selbst gibt den Brüdern ein ergreifendes Beispiel. Schon lange bevor der erste Bruder den Chorraum betritt, kniet dort der Provinzial. Und er ist es, der sich untertags auch außerhalb der üblichen Gebetszeiten immer wieder zur Andacht zurückzieht. So legt er seinen Mitbrüdern ans Herz:
„Geht doch, wenn ihr in der Nähe der Kirche seid, einen kurzen Augenblick hinein und sagt dem Heiland ‚Grüß Gott!’ Auf die paar Schritte darf´s keinem ankommen.“

Wandern im Tal der Demut

Buchtitel von Fritz Meingast

Die Brüder in der Küche können am besten bezeugen, wie getreu ihr Provinzial das Gelübde der Armut hält. Muss er verreisen, kommt er zu ihnen und bittet sie um eine Semmel als Wegzehrung. Dauert die Reise längere Zeit, lässt er sich ein hartgekochtes Ei dazu geben. Er beansprucht nie mehr. Was er sich noch mitnimmt auf die Reise, ist ein kleines Fläschchen Weihwasser. Damit hat er alles was er braucht. (…)
Auch als Provinzial beteiligt er sich an körperlichen Arbeiten. Alljährlich hilft Frater Eustachius bei der Ernte mit. Wenn die Heuwagen auf die Klosterwiesen fahren, ist Seine Paternität bestimmt unter denen, die das Heu zusammenrechen. (…)
Wenn die Ernter einrücken, müssen sie sich zuerst einmal von Spreu und Ackererde säubern. Der Provinzial lässt nicht zu, dass ihm dabei jemand hilft. Seine Schuhe reinigt er selbst, seinen Habit bürstet er aus. (…)

 Aber Frater Eustach gibt sich nicht zufrieden damit, dass er auf Dienste anderer verzichtet, er übernimmt freiwillig Nachtdienst im Krankenhaus Regensburg. Viele Stunden seines Schlafes opfert er auf diese Weise. Die Kranken wissen nicht, wer sie in der Nacht pflegt, aber oft erzählen sie am nächsten Tag, dass sie ein alter, lieber Bruder bedient hat, dem keine Mühe zu groß war und dessen Geduld unerschöpflich schien. Seine Geduld kennt wirklich keine Grenzen Als er beim Nachtdienst einmal den ablösenden Bruder weckt, schläft dieser unbekümmert weiter. Der Provinzial wartet noch eine Stunde, weil er glaubt, der Bruder brauche eben den Schlaf unbedingt.(…)
Immer liegt ihm das Wohl der Kranken am Herzen. Er lässt es nicht beim Nachtdienst. Auch untertags nimmt er wie schon früher an den Arbeiten im Krankensaal teil. Er bindet sich einen weißen Schurz um und gibt Essen aus.
Er verschweigt, dass sich sein Fußleiden von Tag zu Tag verschlimmert und dass ihn eigentlich jeder Schritt schmerzt. Doch er kann gehen und sich bewegen. Dadurch fühlt er sich den Kranken, die im Bett liegen verpflichtet.

(Meingast 1965, S. 180 ff)

Sie können dieses Buch im Shop bestellen.

Geschrieben am 19. August 2009

Zurück zur Übersicht: Impulse/Texte